Immaterielles Kulturerbe Kabary: die madagassische Kunst des Redens
Die madagassische Kabary ist eine besondere Form des Sprechens vor Publikum. Sie kommt vorwiegend bei wichtigen politischen und gesellschaftlichen Anlässe vor und soll die Anwesenden faszinieren. Außerdem dient die Rede zur Unterhaltung des Publikums, die Sprecher müssen in der Lage sein, die Zuhörer nicht zu langweilen. Charakteristisch für eine Kabary ist auch die sorgfältige Wortwahl. Die Meister der Kabary – in Madagaskar „Tompon’ny kabary“ genannt – sind in der Gesellschaft hoch angesehen.
Besonderheiten - Was macht die Kabary aus?
Die Kabary wird dadurch ausgemacht, dass die Themen wortreich umschrieben werden, wodurch für die Zuhörer immer Platz für Interpretation bleibt. Durch die sorgfältig gewählten Worte und Ausdrücke kann der Eindruck entstehen, als käme der Sprecher nicht auf den Punkt. In Wahrheit ist die Kabary jedoch eine Kunst, es ist eine Art des weisen Sprechens – Hass oder Kritik finden in diesem Redestil keinen Platz. Im Gegenteil, die Kabary wird von den Tompon’ny kabary mit Metaphern, Sprichwörtern und Wortspielen ausgeschmückt, wodurch diese Form des Sprechens lebendig wirkt.
Menschen, die die Fähigkeit des zeremoniellen Sprechens besitzen, nennt man mpikabary. Eine Kabary kann von einer oder auch zwei mpikabarys gehalten werden. Die Kunst des Sprechens auf Madagaskar wird noch immer von den Männern beherrscht, da die Gesellschaft annimmt, Frauen seien nur in der Lage direkt zu sprechen, anstatt lange über die Worte nachzudenken.
Entstehung
Die Ursprünge der Kabary reichen vermutlich bis ins 18. Jahrhundert zurück. Der König teilte sich gerne in ausschweifenden Reden seinem Volk mit. Da der Großteil der Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt Analphabeten waren, war dies auch der einzige Weg, Informationen unter das Volk zu bringen. Um alle Neuigkeiten des Königreichs enthalten zu können, wurde die Kabary entsprechend lang. Später, unter der französischen Kolonialherrschaft wurde die Redekunst immer seltener, erst mit der Unabhängigkeit Madagaskars lebte die traditionelle Form des Erzählens wieder auf.
Bedeutung in der heutigen Zeit
Obwohl die Kabary schon vor zwei Jahrhunderten entstand, hat sie ihre Bedeutung bis heute nicht verloren. Die madagassische Redekunst ist noch immer ein fundamentaler Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens in Madagaskar. Die Zuhörer werden von den Kabarys Lektionen fürs Leben gelehrt, aber auch Erzählungen und Legenden werden auf diesem Weg weitergegeben. Somit ist die Kabary ein wichtiges Instrument, um alte Geschichten am Leben zu halten und um die Menschen mit der – auf Madagaskar immer noch sehr wichtigen – Welt der Ahnen zusammenzuführen. Die Tompon’ny kabary sind in der Lage, besondere Zeremonien mit Worten zu begleiten – egal ob es sich um Hochzeiten, Beerdigungen oder sonstige Anlässe handelt. Für die Menschen auf Madagaskar ist es eine besondere Ehre, mit einer Kabary bedacht zu werden.
Zusammenfassung
Als Weltkulturerbe bezeichnet man Denkmäler, Stätten, Gebilde, aber auch immaterielle Kulturgüter wie Bräuche und Sprachen, die einzigartig in der Geschichte und von unschätzbarem Wert für die Menschheit sind. Ein Einkommen der UNESCO mit 193 Vertragsstaaten ermöglicht den Schutz von Kultur- und Naturerben, die von der Zerstörung bedroht sind.